Logotherapeutische Zugänge im Konfliktmanagement und in der Mediation

Konflikte sind unvermeidbarer Bestandteil unseres Lebens – ob im beruflichen Umfeld, in der Familie oder im gesellschaftlichen Miteinander. Doch die Art, wie wir mit ihnen umgehen, entscheidet darüber, ob sie destruktiv wirken oder als Entwicklungschance dienen. Die Logotherapie nach Viktor E. Frankl bietet hier wertvolle Zugänge: Sie richtet den Blick nicht primär auf das Problem, sondern auf den Sinn, der auch in schwierigen Situationen gefunden werden kann.


  1. Sinnorientierung als Schlüssel im Konflikt

    Frankls zentrales Menschenbild lautet: „Der Mensch ist nicht Opfer seiner Umstände – sondern frei, Stellung zu ihnen zu nehmen.“
    In Konflikten bedeutet das: Auch wenn wir äußere Rahmenbedingungen nicht immer ändern können, haben wir die Freiheit, unsere innere Haltung zu wählen. Mediator:innen, die logotherapeutische Prinzipien anwenden, helfen den Beteiligten, nicht nur Lösungen zu finden, sondern die Erfahrung zu deuten – und im Idealfall einen persönlichen Sinn darin zu erkennen.

  2. Aktuelle Studien belegen: Haltung zählt

    Eine Studie von Ma et al. (2023) zeigt, dass Mediationsverfahren, die Werte- und Sinnorientierung integrieren, die langfristige Konfliktzufriedenheit signifikant erhöhen (Ma, Z., & Wang, L. (2023). Value-based mediation and its impact on conflict resolution. Journal of Conflict Management, 11(2), 45-62).
    Ebenso fand Galanou et al. (2022) heraus, dass Sinnfokussierung in der Beratung die Resilienz und Versöhnungsbereitschaft stärkt (Galanou, E., et al. (2022). Meaning-centered approaches in conflict mediation. International Journal of Mediation Research, 8(1), 15-30).

  3. Modelle zur Selbsterkenntnis und Konfliktklärung

a) Das Riemann-Thomann-Modell
Dieses Modell beschreibt vier Grundausrichtungen menschlicher Persönlichkeit: Nähe, Distanz, Dauer und Wandel.

  • Nähe: Bedürfnis nach Verbindung, Harmonie, Miteinander
  • Distanz: Wunsch nach Autonomie, Eigenständigkeit
  • Dauer: Orientierung an Stabilität, Sicherheit
  • Wandel: Offenheit für Neues, Veränderung
    In der Mediation hilft dieses Modell zu erkennen, welche Grundbedürfnisse hinter den Positionen der Beteiligten stehen – oft der Schlüssel zu echtem Verständnis.
    Mehr dazu: Übersicht Riemann-Thomann-Modell (Institut für Mediation).

b) Die Thomas-Kilmann-Konfliktstile
Das Thomas-Kilmann-Modell unterscheidet fünf Herangehensweisen an Konflikte:

  1. Durchsetzen (hohe eigene Interessen, geringe Kooperation)
  2. Vermeiden (geringe eigene Interessen, geringe Kooperation)
  3. Nachgeben (geringe eigene Interessen, hohe Kooperation)
  4. Kompromiss (mittlere Werte bei beiden Achsen)
  5. Kooperieren (hohe Werte bei eigenen Interessen und Kooperation)
    Das Modell unterstützt Mediator:innen dabei, Verhaltensmuster zu erkennen und Wege aufzuzeigen, wie eine konstruktivere Konfliktbearbeitung möglich wird.
    Mehr dazu: Thomas-Kilmann Conflict Mode Instrument.

 

Wie Logotherapie und Konfliktmodelle zusammenwirken

Die Modelle liefern Orientierung im Verhalten, die Logotherapie ergänzt sie durch einen tieferen Sinnhorizont. Diese Verbindung ermöglicht:

  • ein Verstehen der unterschiedlichen Grundhaltungen
  • ein Akzeptieren von Verschiedenheit
  • eine Ausrichtung auf gemeinsame Werte

Fazit

Logotherapeutische Ansätze bereichern das Konfliktmanagement, indem sie nicht nur den Lösungsraum erweitern, sondern auch die innere Haltung der Beteiligten stärken. In Verbindung mit Modellen wie Riemann-Thomann und Thomas-Kilmann entsteht ein praxisnahes, tiefenwirksames Instrumentarium für Mediation und Beratung.
So wird aus einem Konflikt nicht nur ein Problem, das gelöst werden muss – sondern auch eine Gelegenheit, Sinn zu finden und Beziehungen nachhaltig zu gestalten.


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